„Saber“ – Telefongebühren für Bildung

von Margrit Kennedy, August 2008.

[ Dies ist Teil 3 der Artikelserie über alternative Geldsysteme. | ]

Ein weiteres Beispiel für ein alternatives, sektorales Zirkulationsmittel ist die brasilianische Bildungswährung „Saber“. In Brasilien sind rund 40 Prozent der Bevölkerung unter fünfzehn Jahre alt, das heißt, es existiert ein riesiges Bildungsproblem. Bei der Privatisierung der Mobilfunk-Industrie vor einigen Jahren wurde beschlossen, eine einprozentige Abgabe auf alle Telefonrechnungen zu erheben und diese für Bildungszwecke zu verwenden. In einem eigens dafür geschaffenen Topf im Bildungsministerium hatten sich Mitte 2004 über drei Milliarden Reais (ca. eine Mia. US-Dollars) angesammelt. Nun musste entschieden werden, wie dieses Geld ausgegeben werden sollte.

Bernard Lietaer und Gibson Schwartz entwickelten dazu ein Modell, welches sie „Saber“ (Wissen) nannten, um möglichst vielen Jugendlichen zu einer Schulbildung bis zur Hochschulreife zu verhelfen. Das Ministerium bestimmt die Nutzung und den Umlauf der „Sabers“ von der Ausgabe bis zu deren Einlösung und verteilt die Bildungsgutscheine in wirtschaftlich schwächeren Gebieten, in denen das Geld für den Besuch der höheren Schule fehlt. Die Schulen verteilen die „Sabers“ unter den jüngsten Schülern, arbeiten mit ihnen an ihren Schwachstellen und fördern ihre Stärken.

So können zum Beispiel siebenjährige Schüler mit den Gutscheinen den Nachhilfeunterricht, der ihnen von älteren Schülern erteilt wird, bezahlen. Diese wiederum bezahlen damit Schüler, die noch etwas älter sind und so setzt sich das Angebot bis zu den 17-Jährigen fort, die dann ihre Studiengebühren an den Universitäten mit „Sabers“ bezahlen können. Die Universitäten sind die einzigen Institutionen, welche die „Sabers“ in Reais umtauschen können, um damit ihre Sach- und Personalkosten zu decken. Das Erziehungsministerium ermittelt mit den Universitäten, wie viele Studienplätze ohne zusätzlichen Aufwand zur Verfügung gestellt werden können, und zahlt für diese Plätze etwa 50 Prozent der normalen Kosten.

Da die Gutscheine am Ende des Studienjahres zwanzig Prozent ihres Wertes verlieren, werden sie schnellstmöglich weitergegeben, und wenn man mit fünf Weitergaben der Gutscheine und einer 50 prozentigen Reduktion der Studiengebühren rechnet, wird aus drei Milliarden Reais ein Nutzen für Bildung in Höhe von 30 Milliarden Reais.

Neben zusätzlichem Sachwissen – wenn man etwas hört, behält man fünf Prozent des Gesagten, wenn man etwas selbst weitergibt behält man 90 Prozent – entstehen so neue soziale Bindungen, die sonst nicht zustande kämen. Das Ganze läuft auf eine fast „spielerische“ Ausweitung des Lehr- und Lernangebotes hinaus, das kaum zusätzliche Kosten verursacht und deshalb Vorbildfunktion für viele andere Länder haben kann.

Über die Autorin

Margrit Kennedy (1939 – 2013) war elf Jahre lang Professorin für Ressourcen sparendes Bauen an der Universität Hannover. Über dreißig Jahre ihres Lebens befasste sie sich mit der Reform des Geldwesens und hat dazu mehrere Bücher veröffentlicht: z.B. „Geld ohne Zinsen und Inflation“ (8. aktual. Neuaufl. 2006) und „Regionalwährungen – ein neuer Weg zu nachhaltigem Wohlstand“ (zusammen mit Bernard Lietaer; 2004). Am 28. Dezember 2013 ist Margrit Kennedy in ihrem Haus in Steyerberg an Krebs verstorben. Hochspringen
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